Rede zum Marburger Diskurs 2009

Der diesjährige Marburger Diskurs findet zum Thema „40 Jahre 1968“ statt.

Die Referenten, der ehemalige Kopf hinter der Zeitschrift konkret und Ex-Mann von Ulrike Meinhof Klaus Rainer Röhl, der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator George Turner und der Iran-solidarische schiitische Fundamentalist Peter Schütt werden sich ab zwölf Uhr verschiedenen Strängen der Ereignisse des Jahres 1968 und danach widmen. Dies stellt den Versuch dar, dem 40jährigen, medial bereits intensivst aufgearbeiteten Jubiläum des Jahres 1968 eine rechts konservative bis extrem rechte Sichtweise hinzuzufügen. Diese Sichtweise soll über einen wissenschaftlichen Anstrich in die so genannte Mitte der Gesellschaft befördert werden. Die Ereignisse überschlugen sich um das Jahr 1968, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, der Prager Frühling und der Aufstand der Warschauer Studierenden, aber auch die sexuelle Revolution sind Schlagworte, die in diesem Zusammenhang ein ums andere Mal fallen. In Deutschland schlagen etwa folgende Entwicklungen zu Buche: Die Auseinandersetzung mit der Elterngeneration und der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands nahm zwar in der Studentenbewegung teils fragwürdige Ausprägungen an – so bezeichneten sich die Studierenden etwa selbst als „langhaarige Ersatzjuden“ – doch der Diskurs wurde durch die Protestierenden längere Zeit konsequent in die Köpfe der deutschen Bevölkerung getragen.

Die Aufarbeitung der Zeit von 1933-1945 ist nie eine Stärke der unter dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ versammelten Burschen gewesen. So thematisierte der „Marburger Diskurs“ im Jahr 2007 den Weg zum Zweiten Weltkrieg, nicht ohne die alleinige Kriegsschuld Deutschlands anzuzweifeln. Derartige Fälle von Erinnerungsabwehr finden sich allerdings auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft: Die Aussagen reichen von der Einstellung, dass man die Vergangenheit doch endlich einmal ruhen lassen sollte, bis zur Einforderung von Mahnmalen zum Gedenken an deutsche Opfer alliierter Bomber.

Im Zuge der 68er-Bewegung erstarkte die Frauenbewegung – die sich bald allerdings auch der Ignoranz der männlich-dominierten Führungsriege ausgesetzt sah – und autonome Frauengruppen entstanden. Diese konnten in der Folge etwa das Thema des Rechts auf Abtreibung auf den Plan bringen. Bis zu den Marburger Kooperierten sind diese Erfolge bisher allerdings weniger durchgedrungen, mehr noch, an vielen Stellen wird dem Thema Frauenemanzipation direkt entgegen gearbeitet.

An den Hochschulen wurden Anstrengungen in Richtung Demokratisierung und Mitbestimmung betrieben, die den Studierenden bis dahin verwährt worden waren. Viele der heute Anwesenden können 40 Jahre später Tag für Tag miterleben, wie sich die Machtverschiebungen in Richtung Leitungsebenen und die Verfolgung einer wirtschaftlichen Verwertungslogik auf die heutige Realität des Studiums auswirkt. Möglichkeiten zu Mitbestimmung und außeruniversitärem Engagement werden konsequent eingedämmt. Der oben genannte George Turner hat als einer der ersten die Einführung der modularisierten Studiengänge unter der Prämisse der Effizienz an deutschen Hochschulen gefordert. Ein Vordenker also.

Warum hat nun die Burschenschaft Germania das Thema „68“ für den diesjährigen „Marburger Diskurs“ gewählt?

Früher hatte das Spießbürgertum Freddy Quinn, der zwar auch irgendwie zum Pöbel gehörte, sich aber wenigstens gegen die Linke richtete (unvergessen Textzeilen wie: Wer hat sogar so ähnliche Maschen, auch lange Haare, nur sind sie gewaschen? WIR! WIR! WIR!).

Heute lädt die Germania Gestalten wie Röhl und Schütt ein, mit denen sich ein guter Burschenschafter wohl auch nicht identifizieren kann, doch man glaubt, so wenigstens die Linke vorzuführen.

O-Ton Klaus Rainer Röhl:
„Nach der Drogenszene und dem Terrorismus ist nun die dritte hässliche, monströse Nachgeburt von 1968 an der Reihe: der radikale Feminismus, eine grausame, im Grunde rassistische Apartheidslehre.“ (Zitat Ende) Wer kann das noch ernst nehmen?
Wir überlassen die historischen Diskurse nicht kampflos denjenigen, die sich mit Vorliebe rassistisch, sexistisch und einfach ekelhaft äußern. Wir halten an linken Utopien und einem links-emanzipatorischen Anspruch fest.

Für Solidarität und linke Utopie. Diskurse besetzen.