Anlässlich des rechten Terroranschlags am 19. Februar 2020 in Hanau hat das Bündnis gegen Rechts Marburg eine Stellungnahme veröffentlicht, die wir als Teil des Bündnisses gerne so unterschreiben. Kein Vergeben, kein Vergessen!
Am Mittwoch, den 19. Februar, wurde ein rechtsterroristischer Anschlag auf People of Color in Hanau verübt. Neun unschuldigen Menschen wurde dadurch das Leben genommen. Der Täter suchte sich als Tatort gezielt zwei Shishabars aus, die für viele junge People of Color einen Rückzugsort darstellten. Nach dem rassistischen Anschlag tötete der Attentäter seine Mutter und sich selbst. Dies ist seit dem Oktoberfest-Attentat 1980 der größte rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
In seinem Bekennerschreiben wird die extrem rechte Gesinnung und das rassistische Weltbild des Täters deutlich. Er zählt dort unter anderem viele Statten auf, die seiner Meinung nach ausgelöscht gehören, darunter viele arabische und afrikanische Staaten, sowie Israel. Außerdem wird unter anderem durch seie inhaltlichen Bezüge auf Incel-Kreise sein Frauenhass deutlich. Dieses und weitere Details aus seinem Bekennerschreiben machen klar, dass der Täter ein Faschist war und diese Morde aufgrund seiner faschistischen und menschenfeindlichen Einstellung begangen hat.
Als Bündnis gegen Rechts haben wir, wie andere in vielen anderen Städten, am 20. Februar eine Demonstration organisiert, um unserer Trauer, unserer Solidarität und unserer Wut Ausdruck zu verleihen. Wir sind für alle Personen dankbar, die mit uns gemeinsam an einem so schweren Tag auf die Straßen gegangen sind. Und doch reicht das allein schon lange nicht mehr aus. Es ist nicht lange her, dass Walter Lübcke von dem Neonazi Stephan Ernst erschossen wurde. Und es ist nicht lange her, dass im Zuge eines rechtsterroristischen Anschlags auf eine Synagoge und einen Dönerladen in Halle zwei Menschen ermordet wurden. Seit 1990 gab es in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 200 Menschen Todesopfer rechter Gewalt. Trotz dieser ungeheuerlichen Zahl wird durch die immer wieder rezitierte Einzeltäter-These, die sowohl von den Medien als auch staatlicher Institutionen weiterhin propagiert wird, der Rassismus in dieser Gesellschaft verschleiert oder gar ignoriert. In der Berichterstattung wird immer wieder „Fremdenhass“ – als ob die Ermordeten nicht zu unserer Gesellschaft gehört hätten – als Motiv genannt und in Talkshows wird weiterhin rechten Akteur*innen eine Plattform geboten, um ihre reaktionären Ansichten zu verbreiten. Wir nennen es beim Namen: Was passiert ist Rassismus und ein solcher medialer und staatlicher Umgang verharmlost und begünstigt ihn!
Wir erleben leider nicht nur in Deutschland eine Faschisierung gesellschaftlicher Zustände. In diesen Zeiten tragen rechte Parteien wie die sogenannte „Alternative für Deutschland“ mit ihrem Hass und ihrer Menschenverachtung entscheidend dazu bei, diese weiter voran zu treiben. Aus Worten folgen Taten. Aus einem „Wir werden sie jagen!“ wird rechter Terrorismus.
Und auch die sogenannte bürgerliche Mitte hat solche Taten mit zu verantworten, denn sie haben diese Zustände bisweilen nicht nur ignoriert, sondern in Teilen dazu beigetragen: Die Verschärfung des Asylrechts, die Kriminalisierung von Antifaschismus und das Kuscheln mit rechten Akteur*innen zeigen diese Tendenzen deutlich auf. Der sogenannte „Dammbruch Thüringens“, bei dem der FDPler Thomas Kemmerich durch die Unterstützung der AfD zum Ministerpräsident gewählt wurde, um eine linke Regierung zu verhindern, sollte den meisten Menschen in Erinnerung sein. Eine weitere Form der Legitimierung von faschistischen Kräften bleibt die haltlose Hufeisentheorie, welche sogenannten „linken“ und „rechten Extremismus“ auf die gleiche Stufe stellt. Diese unwissenschaftliche Pseudodebatte wird zuweilen genutzt, um die existenzielle faschistische Bedrohung herunterzuspielen und Menschen, die sich antifaschistisch betätigen, im gleichen Zuge mit Repression zu begegnen.
Erneut werden die Stimmen bürgerlicher Parteien laut nach mehr Befugnissen für den Verfassungsschutz und mehr Polizei. Es scheint, dass nach der NSU-Mordserie und ihrer Verstrickungen mit dem Verfassungsschutz sowie den aktuellen Skandalen um rechtsextreme Einstellungen innerhalb der Polizei und der Bundeswehr, nichts dazu gelernt wurde. Der Verfassungsschutz ist nicht die Lösung des Problems, sondern Teil des Problems und gehört abgeschafft. Und die Polizei ist ein strukturell rassistischer Unsicherheitsfaktor. Sie sind für viele marginalisierte Gruppen weiterhin weder Freund noch Helfer.
Bei einer Demonstration kann und darf es nicht belassen werden. Reine Lippenbekenntnisse reichen schon lange nicht mehr aus. Es gilt die Parole: No Pasaran – Keinen Schritt zurück! Denn wir sind als Gesellschaft viel zu viele Schritte zurückgegangen und haben diesen extrem rechten Akteur*innen Platz eingeräumt, um ihre menschenverachtende Ideologie propagieren zu können. Sie müssen auf allen Ebenen zurückgedrängt werden; wir müssen ihnen jede Gelegenheit nehmen ihre Hetze zu verbreiten.
Wir reichen allen Menschen die Hand, die mit uns gegen diese Unmenschlichkeit kämpfen wollen. Wir rufen euch dazu auf, aktiv zu werden und nicht nur zu reagieren. Denn nur gemeinsam können wir was erreichen. Kein Platz für Rassismus!
Wir bleiben solidarisch mit allen Betroffenen rechter Gewalt und stehen ihnen aktiv zur Seite. Wir werden denToten aus Hanau gedenken und ihre Namen nicht vergessen.
Hiç unutmadık, hiç unutmayacağız: – Gökhan Gültekin – Ferhat Ünvar – Hamza Kurtović – Mercedes K. – Sedat Gürbüz – Kalojan Welkow – Bilal Gökçe – Fatih Saraçoğlu – Said Nessar El Hashemi.
Faşizme Karşı Omuz Omuza – Schulter an Schulter gegen den Faschismus!