Verschwörungsideologie und „Ärzte für Aufklärung“ in Marburg

Nicht nur andernorts, sondern auch in Marburg sind Ärzt*innen an der Verbreitung von Verschwörungsmythen und Falschinformationen in Bezug auf die Corona-Pandemie beteiligt. Dazu gehört beispielsweise F. Prohaska, der bereits seit 1999 als „Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ eine Praxis in der Gutenbergstraße betreibt und als Belegarzt in Marburg-Wehrda tätig ist, und mit seinen öffentlichen Äußerungen beispielhaft steht für eine Ideologie, die sich immer weiter radikalisiert.

Hinter den Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 witterte Prohaska schon in seinem Leserbrief an der Oberhessische Presse im September des letzten Jahres Angstmache, das „Durchdrücken unliebsamer Ideen und Machterhalt gerade anlässlich der Bundestagswahl im nächsten Jahr“. Nichts sei dabei „so nützlich wie eine Krise und die Angst der Menschen (wusste schon Göbbels).“ Dass die Oberhessische Presse Goebbels-Vergleiche und eine damit einhergehende Verharmlosung und Relativierung des Nationalsozialismus kommentarlos abdruckte, ist bereits scheiße genug. Die lokale Presselandschaft glänzte in den vergangenen Monaten aber auch nicht gerade mit einer kritischen Einordnung der verschwörungsideologischen Aktivitäten in Marburg.

Prohaska ist Teil der Unterstützer*innen der „Ärzte für Aufklärung“(1), die in den vergangenen Monaten hauptsächlich durch irreführende und schlicht falsche Behauptungen bezüglich PCR-Tests und dem Tragen von Masken oder der Impfstoffentwicklung in Erscheinung getreten sind. In Marburg wie bundesweit fielen sie zuletzt wiederholt durch das penetrante Verteilen von Flyern auf, in denen Corona als „Fake-Pandemie“ verharmlost, gezielt Falschinformationen verbreitet und Ängste in Bezug auf vermeintliche Zwangsimpfungen geschürt werden. Viele der Inhalte sind nahezu deckungsgleich mit denen auf Prohaskas Website.

Dort behauptete er im Sommer 2020, die Pandemie sei vorbei. Darum seien Patient*innen auch „nicht gezwungen, eine Maske wegen Corona zu tragen“(2).

Zudem konstatierte er eine „vollständige Entwarnung“ durch das in verschwörungsideologischen Kreisen bekannte Argumentationsschema, die Zahl der Infizierten würde nur durch einen Anstieg der durchgeführten Tests steigen. Dieses ist längst widerlegt. Ebenfalls teilte er dort kürzlich ein Video, welches sich explizit auf angebliche Zwangsimpfungen und auf die antisemitische Verschwörungserzählung der „Neuen Weltordnung“ (NWO) bezieht.(3) Diese phantasiert eine angeblich bevorstehende Versklavung der Menschheit durch eine Geheimorganisation. Insbesondere beliebt ist sie in den Kreisen der extremen Rechten und Rechtsesoterik, die letzten Monate haben aber gezeigt, dass der NWO-Mythos auch im Umfeld der Corona-Leugner*innen zum festen Repertoire gehört.

Es bleibt zu hoffen, dass Prohaska wenigstens sein Vorhaben, sich zur Ruhe zu setzen um die Regierung unter Merkel nicht weiterhin mit Steuergeldern zu finanzieren(4), umsetzt und die bewusste Gefährdung von Patient*innen durch Verschwörungsideologie ein Ende findet.

Ärzte für Aufklärung in Marburg

Auch die Verschwörungsideolog*innen von „Weiterdenken Marburg“ pflegen Kontakte zu den „Ärzten für Aufklärung“. Am 5. September war der Hamburger Arzt und Mitbegründer der Initiative Walter Weber als Redner bei der Marburger Kundgebung. Der Rassist Weber stellte einst einer Person ein Attest über eine „Allergie gegen Schwarze“ aus, welches diese im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wegen rassistischer Beleidigung verwenden wollte. In Marburg fabulierte er unter Jubel der selbsternannten „Weiterdenker*innen“ von gekauften Medien und einer angeblich inszenierten „Fake-Pandemie“, unterstützt durch vermeintliche Eliten, die er „zur Rechenschaft ziehen“ wolle und drohte: „Sie werden uns nicht davonkommen. (…) Wir werden nicht eher ruhen bis die Leute zur Rechenschaft gezogen sind, darauf können sie sich verlassen.“ (hierzu berichtete die Kampagne Kein Frieden mit Antisemiten(5))

So abwegig sich die Verschwörungsmythen auch anhören mögen, ist ihre Wirkungsmacht nicht zu unterschätzen. Auch die Marburger verschwörungsideologische Szene ist dem deutschlandweiten Trend gefolgt und hat in den letzten Wochen und Monaten eine deutliche Radikalisierung durchlaufen. Inzwischen werden verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte nicht mehr bis zur beinahen Unkenntlichkeit verklausuliert, sondern auch hier Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung offen mit der NS-Verfolgung gleichgesetzt.

Auch Antifeminismus ist immer wieder zentraler Bestandteil von Verschwörungsmythen und mit diesen verwoben. Beispielhaft zeigt sich dies in der Erzählung nach der abgetriebene Föten zur Impfstoffproduktion eingesetzt würden, die auch in Telegram-Gruppen der Corona-Leugner*innen und Verschwörungsideolog*innen aus dem Marburger Umland geteilt wurde.

(1) https://archive.is/JnqF2

(2) https://archive.is/bQdv0

(3) https://archive.is/eI0pV

(4) https://archive.is/dLigF

(5) https://keinfriedenmitantisemiten.noblogs.org/post/2020/10/15/querfront-des-grosenwahns-aus-worten-werden-taten/